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Dreimal die Hand tief ins Taufbecken tauchen und dreimal das Wasser an der Stirn des Täuflings herunterfließen lassen. Dazu sagen: Ich taufe dich im Namen Gottes, des Vaters – erstes Mal Wasser – , des Sohnes – zweites Mal Wasser – und des Heiligen Geistes - drittes Mal Wasser. Amen.
Dann wird der Täufling gesegnet, zum Beispiel mit diesen Worten: Gottes Segen komme über dich. Gottes Ja fülle dich aus. Gottes Freude umhülle dich. Gottes Kraft stärke dich. Gottes Licht sei auf deinem Weg. Gott halte dich in den Händen, sei immer bei dir, lasse sich von dir finden und segne dich.
Auch nach vielen Jahren im Pfarramt ist jede Taufe für mich ein großes Fest. Alle freuen sich, alle wünschen dem Täufling das Beste: Gottes Begleitung durch sein Leben. Und ich freue mich mit.
Freue mich, dass Menschen Zutrauen zu Gott haben, es öffentlich zeigen, und dieses Zutrauen ihrem Kind für sein Leben weitergeben möchten. Freue mich, dass die Getauften dann zu unserer Gemeinde und der weltweiten christlichen Gemeinschaft gehören und wünsche mir, dass sie mit ihren Gaben und Bedürfnissen in unserer Kirche Heimat finden und sie bereichern.
Ich habe Senior:innen gefragt, was ihnen ihre Taufe bedeutet. Und sie haben geantwortet: Geborgenheit spüren; Gemeinschaft haben; an Gott gebunden sein an allen Tagen des Lebens – den guten und den schweren; Gott glauben können, dass Trennungen von Gott, Distanz zu Gott oder Schuld nicht auf Dauer angelastet werden, sondern Gott immer wieder seine Hand ausstreckt, nach uns ruft und Ja sagt zu uns. Bedingungslos Ja.
Gott ruft uns sein „Ja“ zu. Das ist uns oft nur nicht so präsent. Darum gibt es „Hörhilfe“: in jedem Gottesdienst und besonders, wenn wir „Tauferinnerung“ feiern. In der Osternacht, wenn wir in der aufgehenden Sonne die Auferstehung Christi feiern und im Familiengottesdienst im Sommer (in diesem Jahr am 9. Juli). Wir feiern, dass wir zu Gott gehören, von Gott Weisung für unser Leben erhalten und Gott sein Ja zu uns spricht. Jeden Tag neu.
Dieses bedingungslose Ja zu spüren – das tiefe Gefühl des Angenommen-Seins, das wünsche ich Ihnen!
Ihre Manon Althaus
In der Taufe verbinden sich nach evangelischem Verständnis drei Dimensionen miteinander: 1. Die Taufe ist ein Segens-Ritual, das für uns Menschen Gottes Handeln sichtbar macht. Gott hat sich diesem Täufling längst zugewendet – das verdeutlichen wir uns Menschen in einer Zeichenhandlung mit Wasser und mit Worten. 2. Durch die Taufe wird der Täufling aufgenommen in die Gemeinschaft der Heiligen, also in die Gemeinschaft derjenigen, die schon getauft sind. Dieses Verständnis tragen die christlichen Gemeinden von Anfang an. Diese Aufnahme geschieht einmal und bleibt unbegrenzt gültig – deshalb brauchen Taufen keine Wiederholung. 3. Die Taufe begründet eine rechtliche Mitgliedschaft in der Organisation „Kirche“. Diese formale Mitgliedschaft kann durch einen Kirchenaustritt beendet werden, ohne dass damit die Taufe ihre Bedeutung verlieren würde.
Vor 50 Jahren kamen nahezu alle christlichen Kirchen der Welt in der Schweizer Stadt Leuenberg überein, die Taufen der anderen Kirchen anzuerkennen. Damit braucht es auch bei einem Konfessionswechsel keine Neu- oder Wiedertaufe.
Lange Phasen der Dürre sowie starke kurze Regenereignisse – zwei deutliche Merkmale des sich verändernden Klimas. Sie führen auch in Berlin zu knappen Wasserreserven, trockenen Böden und Pflanzen. Wir alle sehen dies und haben es in unseren Händen, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzten. Denn gegen Hitze, Trockenheit und Starkregen gibt es Abhilfe: Regenwasser vor Ort bewirtschaften!
Denn das Regenwasser stärkt die Vegetation im Wohnumfeld. Eine gesunde Vegetation schützt wiederum durch ihre Wurzeln und den Schatten der Blätter den Boden vor der Austrocknung. Er bleibt locker und durchlässig und kann so bei stärkeren Regenereignissen das Mehr an Wasser auch gut aufnehmen. Der positive Effekt für uns Menschen: Bäume und Sträucher schaffen durch die Verdunstung einen kühlen Schatten. Ein einzigartiges Wohlfühlklima, auch bei über 30 Grad Celsius.
Für Berlin, eine Stadt, in der gelebt und gearbeitet wird, ist dies ein wichtiger Lebensaspekt. Daher strebt das Land Berlin die konsequente Neuausrichtung im Umgang mit Regenwasser an und bezieht sich dabei auf bereits bestehende rechtliche Grundlagen. Zu diesen zählt neben dem § 36a des Berliner Wassergesetzes auch der § 5 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz des Bundes. Die Umstellung von der gebührenpflichtigen Regenwasserableitung hin zur Regenwasserbewirtschaftung auf dem eigenen Grundstück stellt einen Paradigmenwechsel dar, der alle Eigentümer:innen betreffen wird. Denn ein Bestandsschutz für die bisherige Ableitung des Regenwassers besteht nicht.
Die Berliner Wasserbetriebe werden das Land Berlin bei dieser Herausforderung unterstützen. Daher profitieren Besitzer:innen von Grund und Boden finanziell spürbar vom Abkoppeln. Entfällt die Regenwassereinleitung in die Kanalisation, lässt sich die Niederschlagswassergebühr dauerhaft einsparen. Das gilt auch bereits für Teilflächen. So können diese Maßnahmen zunächst auf leicht und kostengünstig abzukoppelnden Flächen stattfinden – und dadurch bereits Teileinsparungen bei der Niederschlagswassergebühr erzielen.
Wer entsprechende Maßnahmen umgesetzt hat, teilt den Berliner Wasserbetrieben die Veränderungen mit, spart ab sofort und tut etwas für ein lebenswertes Neu-Westend.
Alexandra Streich arbeitet als Kundenbetreuerin bei den Berliner Wasserbetrieben, www.bwb.de
BERATUNG für die richtigen Maßnahmen auf dem jeweiligen Grundstück bei der Regenwasseragentur Berlin www.regenwasseragentur.berlin und den dort gelisteten Fachfirmen
Israel liegt in einer der wasserund regenärmsten Regionen der Erde. In den vergangenen Jahren hat das Land – wie so viele Mittelmeeranrainerstaaten – längere Hitzewellen erlebt, auch die Zahl der Waldbrände ist dramatisch gestiegen. Das vergangene Jahrzehnt war das heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in den 1920er Jahren.
Um seine natürlichen – sehr spärlichen – Wasserquellen zu schützen, arbeitete Israel bereits sehr vorausschauend – zum Teil sogar unmittelbar nach der Staatsgründung – daran, den Wasserverbrauch zu verringern und gleichzeitig das Wasserangebot zu erhöhen. Eine der wichtigsten Lösungen Israels zur Bekämpfung der Wasserknappheit ist die Entsalzung. Israel betreibt derzeit fünf große Entsalzungsanlagen entlang seiner Mittelmeerküste, die rund 70 % (!) der häuslichen Wasserversorgung des Landes decken.
Ein weiterer Lösungsansatz, den Israel verfolgt, ist die Wiederverwendung von Abwasser. Israel hat die höchste Abwasserrecyclingrate der Welt – rund 85 % (!) seines wiederaufbereiteten Abwassers werden in Landwirtschaft und Industrie wieder verwendet.
Ein weiterer Baustein des Wassermanagements ist die „Tröpfchenbewässerung“, die in Israel erfunden und perfektioniert wurde und heute auf der ganzen Welt zum Einsatz kommt. So ist die israelische Firma „Netafim“ Weltmarktführer in diesem Bereich.
Diese innovativen Technologien haben dazu beigetragen, die Abhängigkeit des Landes von Süßwasserquellen zu verringern, sowie neue Wasserressourcen für die Landwirtschaft geschaffen. Unterstützend kommen große Aufforstungs- sowie natürliche Wasserrückhalte-Maßnahmen hinzu.
Israel teilt sein Wasser Know-How mit anderen Ländern, die ebenfalls von massiver Wasserknappheit betroffen sind, auch mit den unmittelbaren Nachbarländern: das israelisch-jordanische „Water Solar Power Exchange Project“ ist ein hervorragendes Beispiel. Dieses Projekt umfasst den Bau eines Solarkraftwerks in Jordanien, das Strom für eine Entsalzungsanlage in Israel erzeugen wird. Das entsalzte Wasser wird dann zurück nach Jordanien transportiert, um es für die Landwirtschaft und als Trinkwasser zu verwenden.
So fördert ein gemeinsames Wasser- und Energiemanagement auch die regionale Stabilität und Zusammenarbeit!
Gedi Hampe, gebürtiger Berliner und studierter Sozialanthropologe, lebt heute mit seiner Familie in Jerusalem und versteht sich mit seinem Reisebüro „SK Tours in Nature“ als Experte für nachhaltig wirkende Gruppenreisen in Israel. Einige Jahre verbrachte er im Kibbutz Ein Gedi am Toten Meer, wo er den dramatischen Rückgang des Wasserspiegels „live“ miterleben konnte.
Dr. Daniel Dittmann ist Umweltingenieur beim Umweltbundesamt in Berlin. Zu seiner Arbeit gehören Forschungen im Bereich Trinkwasserressourcenschutz.
Was sind „Trinkwasserressourcen“?
Das Wort bezeichnet alles, woraus unser Trinkwasser gewonnen wird: bei uns ganz überwiegend das Grundwasser, dazu auch Oberflächenwasser, also Wasser aus Talsperren und Flüssen.
Wie werden diese Ressourcen geschützt?
Grundwasser zum Beispiel wird nicht nur zur Gewinnung von Trinkwasser genutzt. Auch die Industrie braucht Grundwasser für ihre Produktionsprozesse, ebenso die Landwirtschaft, etwa zur Bewässerung der Felder. Das ist eine Konkurrenzsituation, die wir durch unsere Forschungen entspannen wollen. Wir erkunden aktuell, wie zum Beispiel Abwässer so aufbereitet werden können, dass sie zu einer Wiederverwendung genutzt werden können.
Wozu ist das nötig?
Der Klimawandel führt auch bei uns schon jetzt absehbar zu einem Wassermangel, nachweisbar etwa an fallenden Grundwasserspiegeln. Dabei ist das vorhandene Wasser regional ungleich verteilt – Brandenburg zum Beispiel zeigt eine steigende Zahl von Waldbränden, versiegende Flüsse und verlandende Seen. Andere Landstriche in Deutschland stehen noch besser dar. In Summe zählen wir deshalb noch als wasserreiches Land.
Sollen wir als Verbraucher:innen also am Wasser sparen?
Ein bewusster und sparsamer Umgang mit unseren Ressourcen ist das Gebot der Stunde, dazu gehört natürlich auch das Trinkwasser. Mit einem durchschnittlichen Verbrauch von ca. 110 Liter Wasser pro Tag und Person stehen wir im internationalen Vergleich zwar ganz gut da. Aber Rasensprengen mit Trinkwasser oder das Befüllen von Pools lassen diesen Wert in den letzten Jahren wieder ansteigen.
Was können wir sonst noch tun?
Leitungswasser trinken! Das ist das günstigste Lebensmittel, für das Klima besser als alle anderen Getränke, die transportiert werden müssen, und mit ständig überprüfter hoher Qualität. Das stellt die Trinkwasserverordnung sicher, die im gerade jetzt im Mai 2023 neu verabschiedet wurde: Sie sichert die Qualität unseres Trinkwassers, von der Gewinnung des Wassers aus Brunnen bis zum Wasserhahn in unseren Küchen.
„Kein Aufwachen um 4 Uhr morgens mehr, um verunreinigtes Wasser an entfernten Orten zu holen, kein Cholera-Sterben mehr, keine Durchfallerkrankungen mehr durch das Trinken von verunreinigtem Wasser.“ Dies waren die feierlichen Worte von Herrn Phiri nach der erfolgreichen Installation des Trinkwasserbrunnens in seiner Gemeinde in Thunga, einem ländlichen Gebiet in Malawi. Er hatte seine Frau durch Cholera verloren. Der neu installierte Brunnen wird den Menschen etwa 20 Jahre lang und bei ordnungsgemäßer Wartung bis zu 50 Jahre lang sicheres und qualitativ hochwertiges Wasser liefern.
In vielen Teilen der Welt ist Wasser knapp und sauberes Wasser noch seltener. Oft ist es die Aufgabe von Frauen, täglich Wasser bis zu 10 km pro Tag von einer Quelle nach Hause zu tragen. Cholera und andere durch Wasser übertragene Krankheiten sind vielerorts immer noch weit verbreitet und kosten Hunderte Menschen das Leben.
Unser erstes Brunnenbauprogramm starteten wir 2017 in Akpunka, einem Dorf im zentralen Norden Nigerias. Dorthin hatte ein Gemeindemitglied Kontakt, verfügte aber nicht über die Mittel für den Bau des Brunnens.
Im Jahr 2018, als der Bürgerkrieg im Jemen andauerte, sammelte ein interreligiöses Projekt in Charlottenburg- Wilmersdorf Geld für einen Brunnen in einem Bergdorf, das zu einem Zentrum für Kriegsflüchtlinge geworden war. 180 m tief musste dieser Brunnen sein. Darüber wurde im jemenitischen Fernsehen berichtet. Niemand konnte glauben, dass verschiedene religiöse Gruppen in Berlin einen Brunnen für sie bauten!
Es folgte 2019 ein Brunnen in Uganda und 2020 ein erster solarbetriebener Brunnen in einer Grundschule in Masasi in Tansania für behinderte und Albino-Kinder. Dadurch bekam die Schule sowohl Strom als auch Wasser. 2022 sammelten wir Geld für einen Brunnen in einem Flüchtlingslager in Marib im Jemen, wo der Krieg weitergeht. Dieser Brunnen wird noch gebaut.
Wir hoffen, nächstes Jahr einen weiteren Brunnen in Afrika bauen zu können.
Christopher Jage-Bowler
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) organisiert seit 1958 Freiwilligen-Programme, die zur Begegnung von Menschen unterschiedlicher Länder beitragen. Schwerpunkt sind die Länder, die in besonderer Weise unter den Folgen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges gelitten haben. Jutta Weduwen arbeitet als Geschäftsführerin bei ASF.
Wer sind die Adressat:innen der Freiwilligen- Programme?
Die Programme sind grundsätzlich offen für alle: jüngere Menschen, die die Schule, eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben. Oder generell Menschen in einem Sabbatjahr. Oder auch Ruheständler:innen – eigentlich können alle teilnehmen, die über 18 sind. Wichtig für uns ist die Vielfalt der Menschen. Sie haben Zuwanderungsgeschichten oder nicht, leben mit Beeinträchtigungen oder nicht, sind religiös oder nicht. Sie kommen aus Deutschland oder einem der 14 Partnerländer. Die meisten Freiwilligen kommen aus Deutschland und engagieren sich im Ausland. Im Freiwilligenprogramm in Deutschland nehmen junge Menschen aus 14 Ländern teil.
Wie funktioniert der Prozess der Bewerbung und der Auswahl?
Die Bewerbungen erreichen uns bis zum 1. November eines Jahres für einen Einsatz im Folgejahr. Die Interessierten kommen in einem digitalen Informations- und Auswahlseminar zusammen. An deren Ende stehen die Wünsche der Bewerber:innen nach einem Land, nach einem Thema oder einem Projektbereich. Wir versuchen dann, die Wünsche so weit wie möglich mit konkreten Einsatzplätzen zu verwirklichen.
Welche Auswahlkriterien wenden Sie dabei an?
Wichtig ist für uns, ob die Person Lust zeigt, sich auf Menschen und neue Situationen einzulassen. Dazu kommt die Belastbarkeit und die Einschätzung, ob Freiwillige sich für ein ganzes Jahr im Ausland für eine verantwortungsvolle Arbeit engagieren wollen.
Wie werden die Freiwilligen begleitet?
Wir organisieren Seminare und individuelle Betreuung durch unsere Mitarbeitenden in den Ländern. Die Seminare sind über das Jahr verteilt und bieten unter anderem Reflexionsräume und vertiefte Informationen zu dem jeweiligen Land an. Nach dem Jahr können die Freiwilligen ein Seminar für Rückkehrer: innen besuchen und für sich klären, wo und wie sie ihr Engagement fortsetzen, wenn sie das wollen.
Wann ist das Jahr für die Freiwilligen ein Erfolg?
Wenn sie über ihren eigenen Tellerrand hinausgeschaut haben, neuen Menschen begegnet sind und Freundschaften schließen konnten. Mit Überlebenden der Shoah, des Weltkrieges und der NS-Verfolgung, oder auch mit Altersgleichen. Wenn sie Tätigkeiten ausübten, die sie vielleicht noch nie gemacht haben – und vielleicht auch nie wieder tun werden. Und wenn sie im Zuhören verstanden haben, wie komplex die Fragen nach Frieden und Gerechtigkeit sind, wenn sie in weiteren Zusammenhängen gestellt werden.
Und was macht Erfolg für ASF aus?
Unser Auftrag ist, die Erinnerung an die Verfolgten im Nationalsozialismus und deren Nachkommen wachzuhalten, besonders an Gruppen, die sonst wenig Beachtung finden. Erfolgreich ist unsere Arbeit dann, wenn wir Menschen aus Kirche und Zivilgesellschaft zusammenbringen und gemeinsam klare Kante zeigen gegen gruppen- und menschenfeindliche Tendenzen in unseren Ländern wie Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus.
Seit September 2022 bin ich mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste als Freiwilliger in den USA, wo ich beim Jewish Family Service in Cincinnati, Ohio mithelfe. Jewish Family Service unterstützt unter anderem rund 150 Shoah-Überlebende.
Mein Dienst ähnelt dem der 13 Sozialarbeiter:innen, die jeweils um die zehn Überlebende betreuen und sie seit vielen Jahren begleiten. Dabei besuche ich rund ein Dutzend Überlebende regelmäßig und oft ergibt sich etwas, bei dem ich mich nützlich machen kann.
Letzte Woche, als ich in Lisas kurze Einfahrt einbog, stand die 91-Jährige mit Spaten, gemachtem Haar und heller Bluse vor ihrer Tür. Sie möchte die Regenrinne saubermachen, erzählte sie in ihrem smarten Englisch einer Nicht-Muttersprachlerin. Ihre Eltern haben nach der „Nacht voll zerbrochenem Glas“ entschieden, aus Berlin zu fliehen. Sie fanden Zuflucht in Shanghai, einem der wenigen Häfen, die Jüd:innen anlaufen konnten. Die kleine Familie sprach auch im Shanghaier Ghetto lange noch Deutsch. Doch als sie vom Schicksal der in Wilmersdorf gebliebenen Großeltern erfuhren, erinnert sich Lisa, haben sich ihre Eltern geschworen, nie wieder Deutsch zu sprechen. Während sie die Leiter an die Hauswand lehnte, informierte sie mich, dass es am Wochenende stürmen soll. In diesem Moment wurde mir wieder einmal bewusst, wie herzlich ich von der jüdischen Gemeinde und den Shoah-Überlebenden angenommen wurde. Und, dass das alles andere als selbstverständlich war. Vor dem Small-Talk haben wir viel über die Vergangenheit geredet.
Als ich in Cincinnati ankam, wurden gerade die letzten Vorbereitungen für die Hohen Feiertage getroffen. In der Synagoge, um Rosh Ha-Schana – das jüdische Neujahr – zu feiern, traf ich Elizabeth. Sie war 14, als der Krieg nach Kyjiw kam. Nachdem ich mich mit den zwei Sätzen, die ich mir für alle neuen Begegnungen zurechtgelegt hatte, kurz vorgestellt habe, schüttelte ich ihre erstaunlich kräftige Hand. Sie winkte mich zu sich runter und sagte, ohne von meiner Hand abzulassen: „Weißt du, dass die Deutschen meine ganze Familie in Babi Yar erschossen haben?“
In den folgenden Monaten erzählte sie mir ausgiebig aus ihrem Leben. Manchmal saßen wir eine Stunde in ihrem Wohnzimmer, Elizabeth in ihrem Sessel – das Bild ihres kürzlich verstorbenen Ehemanns vor sich, russisches Wörterbuch in der Hand –, ich auf der Couch, bevor sie mich zum Tee in ihre Küche einlud. Ob ich Hunger habe, fragte sie immer, aber nach dem Gehörten fiel mir allein die Vorstellung, etwas zu mir zu nehmen, schwer. Kekse gab es trotzdem. Elizabeth legt großen Wert darauf, eine gute Gastgeberin zu sein.
Allen Überlebenden liegt es am Herzen, ihre Geschichte zu erzählen, und ich bin froh, ihnen zuhören zu können. Neben unvorstellbarem Leid teilen viele auch Bedenken für die Zukunft. Ob wir aufhören uns zu erinnern, wenn sie nicht mehr da sind, fragen sie oft.Ein Überlebender, auch aus Berlin, verfolgt bis heute aufmerksam die deutsche Politik. Die AfD macht ihm Sorgen, und, dass wir Deutschen bei dem vielen Lob für unsere Erinnerungskultur womöglich vergessen, wie groß der gesellschaftliche Widerstand dagegen war. Ist der immer noch da? Darüber unterhalten wir uns in letzter Zeit oft.
Mit nur noch wenigen Wochen in den USA möchte ich jetzt schon ASF und Jewish Family Service für ein besonderes Jahr danken und kann Lisa, Annette, Albert, Elizabeth und so vielen anderen versprechen, dass ich sie nie vergessen werde.
Im Gottesdienst am 3. September 2023 um 10 Uhr werden ASF-Freiwillige des nächsten Jahrgangs verabschiedet.